Dinslaken. Viele waren der Einladung des Fördervereins Kultur und Ev. Kirche in Dinslaken in die Stadtkirche am Freitagabend gefolgt, um gemeinsam der Opfer der Reichspogromnacht am 10. November 1938 in Dinslaken zu erinnern. Neben dem Gedenken wurde die Einweihung des Mahnmals „Leiterwagen“ von Alfred Grimm vor 30 Jahren und die Entstehungsgeschichte der Gedenkstätte im Stadtpark beleuchtet. So nannte Organisator Gerhard Greiner in seiner Begrüßung einige der wichtigsten Protagonisten von damals: Ideengeber Jürgen Leipner, damaliger Vorsitzender des Ausschusses für das jüdisch-christliche Gespräch im Ev. Kirchenkreis; Unterstützer Ulrich Bendokat, damaliger Superintendent des Ev. Kirchenkreises und die damaligen Verantwortlichen in der Stadt Dinslaken sowie Künstler Alfred Grimm, der sich mit seinem Vorschlag gegen drei weitere Künstler durchsetzen konnte.
Jürgen Leipner berichtete dann auch eindrucksvoll über den Weg von der Idee bis zur Eröffnung der Gedenkstätte. Besonders hob er die Teilnahme ehemaliger jüdischer Bürger Dinslakens an der Eröffnung des Mahnmals hervor: „Gekommen sind dann 16 Personen, die in Dinslaken geboren waren, und noch einmal 16 Angehörige, Eheleute oder Kinder, überwiegend die jüngere Generation. Es waren 32 Menschen hier. Eine ganz Woche. Und das hat natürlich der Veranstaltung (am 10.11.1993) einen ganz besonderen Charakter gegeben.“
Alfred Grimm, der den „Judenkarren“ kreiert hat, zeigte dagegen anhand von Bildern die spannende künstlerische Entstehungsgeschichte des Mahnmals.
Gerhard Greiner schlug zum Schluss der Veranstaltung die Brücke zur heutigen Zeit: „Das Gefühl, in Deutschland sicher zu sein, geht bei vielen Juden und Jüdinnen verloren. Ich denke, dass wir in unserem so beschaulichen Dinslaken viel deutlicher machen müssen, dass wir an der Seite von Juden und Jüdinnen stehen. Dass wir ihren Schmerz, ihre Ängste teilen und ein Stück weit mit ihnen aushalten. Ich finde aber, dass es an diesem besonderen Tag auch wichtig ist, das Leid von Palästinenser*innen hier bei uns zu sehen, wenn sie z.B. erfahren, dass Angehörige oder Freunde im Gazastreifen oder in der Westbank getötet oder verletzt worden sind. Und dies wieder und immer wieder. Dass wir auch ihren Schmerz wahrnehmen, teilen und mit ihnen zusammen ein Stück weit aushalten; dass finde ich wichtig und das ist weiß Gott, nicht naiv! Ich sage klar: Leid ist Leid und kann nicht gegeneinander ausgespielt werden…. Für mich hat das Gedenken in diesem Jahr mit all den völlig berechtigten Aufrufen, den Antisemitismus zu bekämpfen, aber einen faden Beigeschmack. Die Debatte über die Flüchtlinge zeigt, wie die Menschenwürde von Geflüchteten eben doch antastbar ist. Die Forderungen nach der Abschaffung des Asylrechtes oder dessen Auslagerung in andere Länder und viele der am 6. November getroffenen Regelungen sind ist für mich dafür ein Beispiel. Die damit verbundene Geschichtsvergessenheit ist schon atemberaubend. Und mit das Wichtigste: um die betroffenen Menschen ging es in dieser Debatte überhaupt nicht mehr.“
Zu Beginn der Veranstaltung hatte Mirko Schombert, Leiter der Burghofbühne, an die Ereignisse von 1938 anhand der Aufzeichnungen von Anne Prior erinnert. Für den musikalischen Rahmen hatte Dominik Gerhard gesorgt.