Die Kreissynode unseres Kirchenkreises hatte sich im Herbst mit einem Antrag an die Landeskirche dafür stark gemacht, dass u.a. neue Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge von den griechischen Inseln und von der bosnisch-kroatischen Grenze gestartet werden. Nun hat die Landessynode heute folgende Positionierung beschlossen:
Düsseldorf (20. Januar 2022). Die derzeit tagende Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland zeigt sich besorgt über die anhaltend dramatische Notlage Geflüchteter an den Außengrenzen Europas. Schutzsuchende auf dem Balkan, in Griechenland, im Grenzgebiet von Polen zu Belarus und im französischen Calais unter erbärmlichen Bedingungen festzuhalten, widerspreche allen humanitären und rechtlich garantierten Standards. Nothilfe und die sofortige Aufnahme von Schutzsuchenden in solchen Notsituationen seien dringend geboten.
An den Grenzen der Europäischen Union (EU) werde Völkerrecht offen gebrochen, würden Menschenrechte verletzt. Die Landessynode hat deshalb die Kirchenleitung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Push-Backs, „die Zurückweisungen von Geflüchteten insbesondere an der polnisch-belarussischen Grenze, der bosnisch-kroatischen Grenze, an der griechisch-türkischen Grenze, im Mittelmeer, aber auch in Spanien an der Grenze zu Marokko, in Zypern und Ungarn sofort beendet werden“. Zunehmende Unmenschlichkeit mitten in und an den Grenzen Europas sei bedrückend, heißt es in einem Bericht zum Flüchtlingsschutz an den EU-Außengrenzen, der der Landessynode vorliegt. Die Situation der notleidenden Menschen verschlimmere sich weiter. „An den Grenzen gibt es nach wie vor Tote, zu viele Tote.“
Aufenthaltsperspektive für Afghaninnen und Afghanen
Von Bund und Ländern fordert die Landessynode die schnelle Umsetzung eines Bundesaufnahmeprogramms für Afghaninnen und Afghanen sowie Landesaufnahmeprogramme für Angehörige bereits in Deutschland lebender Afghaninnen und Afghanen. Die Evakuierung solle fortgesetzt und Ortskräften und deren Familien, Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie weiteren am Aufbau eines demokratischen Afghanistans Beteiligten Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Bereits in Deutschland lebenden Afghaninnen und Afghanen sei eine sichere Aufenthaltsperspektive zu bieten und ein schneller Familiennachzug zu ermöglichen.
Kritik am flüchtlingspolitischen Diskurs im Wahlkampf
Kritik äußert der Bericht am flüchtlingspolitischen Diskurs zur Lage in Afghanistan während des Bundestags-Wahlkampfs im vergangenen Jahr. Die immer wiederkehrende rhetorische Figur „2015 darf nicht nochmal passieren“ schüre Ängste und spreche insbesondere Menschen an, die Migration ablehnen oder Vorbehalte haben. Dabei sei die Aufnahme von insgesamt 890.000 Menschen aus Syrien „eine große Erfolgsgeschichte“ gewesen, die von Humanität und Hilfsbereitschaft erzähle. „Bereits nach fünf Jahren waren mehr als die Hälfte der Geflüchteten zwischen 18 und 64 Jahren in den Arbeitsmarkt integriert“, erinnert das Papier.
Die EU fällt immer wieder hinter ihre eigenen Ansprüche zurück
Fluchtursachen müssten endlich wirksam bekämpft, die Ursachen von Bürgerkrieg, Armut, Terror, Bildungsmangel, Klimawandel und religiöser Verfolgung angegangen werden. „Dies würde einen Abbau von ungerechten Handelsbeziehungen bedeuten, eine ausgeprägte Menschenrechts- und Friedensarbeit, internationale Abrüstung inklusive Waffenexportverboten und einer nachhaltigen Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit.“ Die Europäische Union falle jedoch in all diesen Bereichen regelmäßig hinter ihre eigenen Ansprüche und Willensäußerungen zurück, kritisiert der Bericht. „Stattdessen werden EU-Außengrenzen befestigt und Flucht nach Europa wird verhindert.“
Autorin: Cornelia Breuer-Iff